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Zurück Erstellt von Ralf Schwalbe

Lenovo vs. Nokia – eine Meinung

Mal etwas Offtopic, aber zumindest aus Sicht des Autors ein wichtiges Thema.

Vielleicht habt auch Ihr es in den Nachrichten und den einschlägigen Infoquellen gehört: Lenovo, der weltweit größte Anbieter von Desktops und Notebooks darf in Deutschland quasi nicht mehr verkaufen.

Lenovo fehlen Lizenzen zur Nutzung des Video-Codecs H.264. Dieser Codec sorgt dafür, dass unsere .mp4 oder .mov Dateien auch über das Handy verbreitet werden können und die Videos dennoch von ansehnlicher Qualität sind.

Erwirkt hat dieses Verkaufsverbot die Firma Nokia. Viele kennen sie noch, aber kaum einer weiß, dass Nokia nichts mit Handys zu tun hat, dafür aber Patente verwaltet.
Was ist passiert?
Wie der Branchendienst Bloomberg berichtet, wirft Nokia dem weltweit größten PC-Hersteller Lenovo vor, keine angemessenen Angebote für Lizenzen zur Nutzung der eigenen H.264-Patente vorgelegt zu haben. Lenovo widerspricht, dass Nokia unfair hohe Gebühren für diese Lizenzierung fordert und nicht gemäß dem sogenannten FRAND-Modell (Fair, Reasonable and Non-Discriminatory) vorgeht. Soweit, so unklar.

Lenovo verkauft in seinen Endgeräten (PCs, Laptops, Handys) auch Grafikeinheiten (Grafikkarten oder Chips) die in der Lage sind aus den Daten einer H.264 encodierten Datei ein Video auf dem Bildschirm auszugeben. Lenovo baut nicht die Karten oder die Chips, sondern verkauft sie nur als Bestandteil in seinen Geräten. Warum soll Lenovo also Lizenzgebühren zahlen müssen? Das ist so … wer das Gerät in Umlauf bringt, muss die Regeln beachten. Der Hersteller des Chips weiß bei Produktion noch nicht in welches Land der Chip letztlich kommt und wie dort die Regeln sind – nehmen wir das so hin.

Warum ist Nokia der Patentinhaber … eine noch viiiel kompliziertere Geschichte, die auch der Autor nicht im Detail kennt. Nokia hat den Standard, anders als häufig behauptet, nicht selbst entwickelt und auch sonst nichts mit Video-Codecs zu tun, aber Nokia ist hervorragend international vernetzt. Deshalb beauftragen die echten Entwickler Nokia mit der Vermarktung dieser Rechte. Nokia ist hier also auch nicht der „Böse“ Spieler, sondern macht nur seinen Job.

Das Problem ist die Verwertungskette. Jeder in dieser Kette will an der Lizenz verdienen, der Hersteller, der Vermittler, der Verwerter, der Hersteller der Komponente, der Hersteller des Endgeräts, der Vertreiber des Endgeräts, u.s.w.u.s.f.
Aber wer zahlt das? Genau, wir, der Verbraucher. Bitte nicht falsch verstehen, das hier kein Plädoyer für Lizenzmißbrauch oder gar gegen Lizensierung. Nein, denn dann würde kaum noch jemand etwas Neues entwickeln. Wozu, wenn man nichts daran verdienen kann. Aber es ist Plädoyer für klares Standards. Denn egal wie es ausgeht, WIR, die Verbraucher, zahlen die Zeche, sei es durch überhöhte Lizenzgebühren, oder wie jetzt gerade durch plötzliche Nichtverfügbarkeit der eigenen Hardware-Linie.

Also: Einigt euch! Dieses Theater kennt sonst nur Verlierer.

Nachtrag:
Neben Lenovo befindet sich auch der deutsche Automilhersteller Daimler im Rechtsstreit mit Nokia – wegen ähnlicher Patentprobleme. Am 30. Oktober 2020 startet die Gerichtsverhandlung zwischen den beiden Parteien. Sie wird vor dem gleichen Münchener Gericht stattfinden. Mal sehen ob dann in Deutschland keine Mercedes-Benz Fahrzeuge mehr verkauft werden dürfen.

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